Teil 4: Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist das Universum von einer großen Vielzahl an Ökosystemen mit gleichen Naturgesetzen durchzogen
Nun ist eine Einschätzung dazu offen, wie häufig es denn abseits unseres Planeten Erde im beobachtbaren Universum Leben geben könnte. Da die Entstehung als automatischer Prozess angenommen werden kann, lässt sich die Frage auswechseln in jene nach der Häufigkeit von Gesteinsplaneten und Gesteinsmonden, auf denen die dafür notwendigen Voraussetzungen gegeben sind. Eine Basis zur Abschätzung bietet unser Sonnensystem. Die Sonne selbst ist in der Sternklasse der Gelben Zwerge hinsichtlich Größe, Helligkeit und Wärme wie ein durchschnittlicher Standartstern. Die Zahl der Planeten lässt sich auf Grundlage der Daten von Teleskopen zumindest in unserer Galaxie, der Milchstraße, als ebenfalls annähernd durchschnittlich annehmen.
Für die Lebensentstehung ist wahrscheinlich flüssiges Wasser mit großen Tiefen am günstigsten. Ein Grund liegt im Schutz vor kosmischen Strahlungen, durch welche die Prozesse der Bildung zunehmend komplexer und sich weiter stabilisierender Strukturen gestört werden könnten. Also wäre eine nächste Frage: Wie oft gab oder gibt es auf Gesteinsplaneten und Gesteinsmonden in unserem – durchschnittlichen und somit beispielhaften – Planetensystem flüssiges Wasser mit großen Tiefen? Die Antwort auf der Grundlage der Daten von Teleskopen und Sonden ist: häufig bis sehr häufig. Es gilt als nachgewiesen, dass eine Reihe jener Gesteinsmonde, die um die Gasplaneten Jupiter und Saturn kreisen, aktuell unter ihren Eiskrusten große Ozeane flüssigen Wassers tragen. Diese Meere enthalten demnach teilweise flüssige Wassermassen, die vielfach größer sind als alles Wasser der Erde. Sie sind wahrscheinlich schon sehr alt und bis zu über 100 Kilometer tief. Stabile Energie ist sicher vorhanden – sonst wären sie unterhalb der Eispanzer nicht flüssig. [2]
Wie ernsthaft die Vermutungen sind, dass sich zumindest in manchen dieser Ozeane Leben und Ökosysteme befinden, wird unter anderem dadurch erkennbar, dass seit Jahrzehnten unbemannte Raumsonden zu den Monden geschickt werden. Darunter war die naturwissenschaftlich bahnbrechende Sonde Galileo, mit der erstmals flüssiges Wasser unter den Eispanzern dreier Jupitermonde (Europa, Ganymed, Kallisto) weitgehend nachgewiesen werden konnte. Aktuell sind zwei Sonden aus der EU („JUICE“, ESA) und den USA („Europa Clipper“, NASA) auf dem Weg, die Ankunft an den Monden wird für die Jahre 2030 und 2031 erwartet. In diese Projekte wurden hohe finanzielle Mittel investiert und das zentrale Ziel ist der Nachweis von außerirdischem Leben. Viele Forscher sind optimistisch, dass dies mittels der Sonden zumindest indirekt gelingen wird.
Für die Energien der Ozeane unter den Eispanzern von Gesteinsmonden oder auch Gesteinsplaneten im beobachtbaren Universum gibt es einige potenzielle Quellen. Dazu gehört die innere Restwärme der bei ihrer Entstehung heißen Körper und daraus resultierender Vulkanismus. Auch für den Planeten Erde wird überwiegend angenommen, dass die ersten Zellstrukturen in tiefen Gründen des Urozeans an vulkanischen Rauchern entstanden sind. Eine andere Hauptquelle insbesondere auf Monden sind die Gezeiten: Unter dem Einfluss der Gravitationskräfte ihrer Planeten werden die Monde stabil „durchgewalkt“, wodurch gleichmäßige Reibungswärme entsteht. Weitere potenziell stabile Energien könnten von radioaktiven Prozessen ausgehen. Und schließlich sind Kombinationen mehrerer dieser und weiterer Energiequellen möglich. Manche Astrowissenschaftler in den einschlägigen Forschungsgebieten halten es für nicht unwahrscheinlich, dass in einigen Wassermassen der Monde von Jupiter und Saturn nicht nur einzelliges Leben existiert, sondern auch wesentlich komplexere mehrzellige Organismen. [3]
Die Annahme, dass Leben in flüssigem Wasser mit hoher Wahrscheinlichkeit eine häufige Erscheinung im beobachtbaren Universum ist und dass dieses nicht an sogenannte habitable Zonen innerhalb von Planetensystemen gebunden sein muss, lässt sich also als gut begründet erachten. Denn wenn es in unserem Sonnensystem zahlreiche Gesteinsmonde gibt, die unter einer Eisdecke Ozeane aus flüssigem Wasser tragen, dann dürfte dies auch für einen Großteil anderer ähnlicher Planetensysteme gelten oder Laufe ihrer Geschichte gegolten haben. Hinsichtlich der Historie unseres Sonnensystems ist es ausweislich von verschiedenen Spuren wahrscheinlich, dass auf Planeten und Monden viele weitere Ozeane existiert haben, die im Laufe der Milliarden Jahre wieder verschwunden sind. Wasser wird mittlerweile als eine im beobachtbaren Universum sehr häufige chemische Verbindung vermutet.
Eine ausweislich zahlreicher öffentlicher Äußerungen für viele Menschen besonders interessante Frage liegt aber nun noch darin, wie oft es denn auch Leben oberhalb von Wasser, auf Landflächen und unter einer lebensfreundlichen Gasatmosphäre geben könnte – also ähnlich wie auf der Erde. Dafür dürften tatsächlich Grundvoraussetzungen Bedingung sein, die den üblichen Definitionen von habitablen Lagen ähneln. Denn als deren Haupteigenschaft wird die Möglichkeit flüssigen Oberflächenwassers angesehen. Und ohne solches ist eine erdähnliche Situation nicht logisch vorstellbar. Dieser Punkt begründete bisher eine Hauptmeinung, nach der die auf der Erde gegebenen Bedingungen doch ziemlich oder gar sehr selten sein müssten. Mittlerweile vollzieht sich aber auch dazu eine Wandlung. Sowohl die Häufigkeit von Gesteinskörpern in habitablen Lagen als auch die Wahrscheinlichkeit der Entstehung von lebensfreundlichen Atmosphären werden mittlerweile als weitaus höher eingeschätzt als noch vor wenigen Jahren. Die vermutliche Entstehungsgeschichte des Planeten Erde bietet hier wieder eine Referenz.
Nach gängiger Mehrheitsmeinung bildete sich der Planet im Rahmen der Entstehung des Sonnensystems vor etwa 4,6 Milliarden Jahren (im Äquivalent heutiger Erdjahre), als sich eine Wolke aus Staub und Gas verschiedener Elemente unter der Gravitation zusammenzog. Und bereits vor rund 3,8 Milliarden Jahren haben demnach einzellige Organismen die ersten uns bekannten fossilen Spuren gelegt, nämlich bestimmte Kalksteinformationen (Stromatolithen). [4]
Eine Gasatmosphäre gab es zu dieser Zeit auch schon. Allerdings sorgte diese bei Weitem noch nicht für ein lebensfreundliches Klima und auch ihre Bestandteile, darunter ein hoher Anteil Kohlendioxid, dürfte für Leben an der Erdoberfläche noch nicht geeignet gewesen sein. Das Leben spielte sich also wahrscheinlich zunächst über einen langen Zeitraum nur im Wasser ab. Dass sich dies später hinaus geändert hat und eine gemäßigte Atmosphäre mit signifikanten Anteilen gasförmigen Sauerstoffes entstand, war aber kein Zufall. Sondern einige der frühen Einzeller kamen in ihrer Evolution quasi auf die Idee, den in Molekülen des Kohlendioxid enthaltenen Kohlenstoff abzuspalten und sich davon zu ernähren. Da Kohlendioxid eine Verbindung von Kohlenstoff und Sauerstoff ist, blieben als Abfallprodukte freie Sauerstoffmoleküle übrig.
Dieser Prozess begann mit im Wasser gelöstem Kohlendioxid. Aber da die Methode der Kohlenstofffresser sehr erfolgreich war, breiteten diese sich schließlich in zahlreichen Spezies bis an die Wasseroberfläche aus. Und dort begannen sie auch auf den gasförmigen Anteil des begehrten Stoffes zuzugreifen. So kam es, dass insbesondere die Cyanobakterien zu einem gigantischen Generator freier Sauerstoffmoleküle wurden und damit den Weg ebneten für die heutige Atmosphäre.
Nun die nächste Frage: Hätte es eigentlich passieren können, dass unter den frühen Mikroben keine Kohlenstofffresser entstanden wären? Dies dürfte unwahrscheinlich sein, denn der Kohlenstoff ist offensichtlich als gute und stabile Nahrungsquelle geeignet. Die evolutionäre Idee ihn so zu verwenden, wird wohl ebenfalls wieder automatisch aufkommen.
Die nächste Folgefrage: Wie häufig gibt es Gesteinsplaneten oder auch Monde mit Atmosphären, die Kohlendioxid enthalten? Wie hoch deren Anteil unter allen Planeten und Monden im beobachtbaren Universum ist, lässt sich bisher mangels hinreichender Daten nicht direkt und solide abschätzen. Aber das unsrige Sonnensystem bietet auch hierzu wieder indirekte Hinweise. Gegenwärtiges Kohlendioxid wurde nämlich in den Atmosphären aller vier hiesigen Gesteinsplaneten (Erde, Mars, Merkur, Venus) und in denen von mindestens sechs Monden nachgewiesen. Auch lässt sich wieder annehmen, dass dies in der gesamten Lebensspanne unseres Sonnensystems noch viele weitere Male vorkam.
Es ist somit nicht unwahrscheinlich, dass auch Entstehungen von Atmosphären ähnlich jener der Erde während der Lebensdauer der meisten unserem Sonnensystem halbwegs ähnlichen Planetensysteme einige Male ablaufen. Auch etwa für den Planeten Mars halten einschlägige Wissenschaftler eine frühere lebensfreundliche, gemäßigte und wasserreiche Oberfläche sowie ein damaliges Ökosystem auch oberhalb der Wasserlinie für wahrscheinlich. [5]
Und noch zuletzt, die ergänzende Frage nach dem mutmaßlichen Anteil solcher Planetensysteme im beobachtbaren Universum, die Planeten in besagten habitablen Zonen tragen. Auch hierzu hat sich die Mehrheitsmeinung in den letzten Jahren und Jahrzehnten deutlich in die Richtung einer weit höheren Zahl bewegt als sie früher vermutet wurde.
Hinsichtlich erdähnlicher Gesteinsplaneten in habitablen Zonen um Sterne der Art Gelber Zwerge reichen für unsere Galaxie die Schätzungen aktueller und anerkannter Fachstudien mit Hochrechnungen von 300 Millionen (NASA, 2020) bis sechs Milliarden (Bryson et al., 2021). Als wichtigster Parameter der Habitabilität wurde in den Schätzungen weiter die potenzielle Möglichkeit von stabil flüssigem Oberflächenwasser definiert. Solche möglichen Lebensräume unter den Eispanzern von Monden wie jene um Jupiter oder Saturn spielten also keine Rolle. Und auch blieben die Planeten rund um andere Arten von Sternen, wie die besonders häufig vorkommenden Roten Zwerge, ebenfalls unberücksichtigt. Derweil werden den letztgenannten mitunter hohe Potenziale zugeschrieben, teilweise wird ein Anteil von bis zu 50 Prozent der Roten Zwerge vermutet, in deren Gravitationsfeldern erdgroße Gesteinsplaneten in habitablen Zonen existieren könnten (Dressing & Charbonneau, 2015).
Es ließen sich noch viele weitere Erkenntnisse reflektieren, die in ihrer Kombination praktisch alternativlos in Richtung des logischen Schlusses führen, nach dem das beobachtbare Universum tatsächlich von Leben durchzogen sein muss. Ein überwiegender Anteil der Ökosysteme wird sich in flüssigem Wasser befinden. Aber auch Leben, dass sich zusätzlich oberhalb der Wasserlinie unter geeigneten Gasatmosphären abspielt, dürfte häufig sein und möglicherweise in einem Großteil der Planetensysteme des gesamten beobachtbaren Universums zeitweise existiert haben oder noch existieren.
Die Annahme, dass das irdische Leben etwas Außergewöhnliches und Seltenes sei, ähnelt wahrscheinlich einer Situation, in der man ein feststehendes Mikroskop auf einen Waldboden richtet, dabei zufällig genau eine einzelne Mikrobe fokussiert und dann denkt: „Was für ein unfassbarer Zufall, dass wir die hier entdeckt haben, wo es doch so etwas bestimmt nur ganz selten gibt oder sogar einmalig ist!“. Dass der Waldboden durchzogen ist von unzählbar vielen Mikroben, lässt sich derweil nicht direkt erkennen. Der wesentliche Grund dafür, dass bisher kein empirischer Nachweis von Leben abseits der Erde erbracht wurde, ist offensichtlich die Größe des Universums mit räumlichen Entfernungen, die ein beträchtliches Hindernis bei der Beobachtung außerhalb unseres Planeten sind.
Wir im ZEIS Institut für ökologische Aufklärung gehen davon aus, dass sich innerhalb der kommenden zehn Jahre die Indizien für außerirdischen Lebens stark verdichten werden oder solches sogar direkt nachgewiesen wird. Das könnte etwa durch Untersuchungen mittels der erwähnten Sonden oder indirekt über verfeinerte teleskopbasierte Spektralanalysen geschehen. Allerdings wird dies alleine den bisher auch die naturwissenschaftliche Erforschung der fundamentalen ökologischen Naturgesetze blockierenden Verdrängungskomplex noch nicht aufbrechen. Dafür müssten zunächst anhand des irdischen Lebens die unbeherrschbar hohen Komplexitäten des ökologischen Gefüges samt aller Organismen und ihrer Genome anerkannt und akzeptiert werden. Dies ist, wie ausgeführt, der eigentliche Schlüssel zum Verständnis der ökologischen Naturgesetze.
Mit der Anerkennung der unbeherrschbaren Komplexität von Systemen organischen Lebens und den dadurch unweigerlich und ausnahmslos immer wirkenden ökologischen Naturgesetzen würde sich ein durch die besagte Verdrängung bisher unerschlossenes Feld fundamentaler Zusammenhänge der Physik eröffnen. Für Forscher, die sich ohne Scheu auf dieses Feld begeben, bieten sich dort Gelegenheiten zu Pionierleistungen, die potenziell irgendwann in eine Reihe gestellt werden könnten mit jenen der bekanntesten Namen aller Naturwissenschaften. Das wird allerdings nur möglich sein, falls die Menschheit in ihrer Unaufgeklärtheit nicht zuvor weite Teile des irdischen Ökosystems vernichtet und sich dabei auch selbst in den Abgrund reißt.
[1] https://cordis.europa.eu/article/id/202465-selfreplicating-molecules-provide-clues-to-how-life-may-have-begun/de
[2] https://science.orf.at/v2/stories/2935957/
[3] Jonah Peter et al. (Harvard University, Nature Astronomy, 2023) “Detection of hydrogen cyanide and other nitriles in the plume of Enceladus”
[4] https://www.phoenix.de/geschichte–des–lebens–a–140870.html
[5] https://www.br.de/nachrichten/wissen/war-der-mars-einst-bewohnbar-nasa-rover-liefert-neue-hinweise,UjH2cWR