Spuren zu einem Hebel für eine späte Notbremsung – Teil 4

Der systematische Weg zur Erreichung und Umlegung des Hebels

Von Steffen Pichler

Soweit in Teil 3 ein weiterer unumgänglicher Abschnitt des Weges hin zu den besagten Chancen erkennbar geworden ist, nämlich in Form der Nachholung einer echten Aufklärung über den ökologischen und psychologischen Gesamtzusammenhang, so baut sich allerdings ausgerechnet in genau dieser Richtung schon wieder eine riesige Hürde auf. Sie ist sogar besonders hoch und steht dort im Grunde schon seit Jahrtausenden wie eine gewaltige Mauer: Und zwar kann eine solche echte Aufklärung der Zivilisation nicht funktionieren, wenn sie vorrangig in der breiten Masse der Erwachsenen ansetzt. Ähnlich eines deformiert zusammengewachsenen Knochens lassen sich ab der Kindheit und durchgängig bis in die Erwachsenenzeit fehlgeprägte, unvollständig und unrealistisch gebliebene Weltbilder mit darin liegenden vielfältigen Verdrängungsmechanismen und großen Lücken allenfalls nur noch sehr zäh korrigieren.

Es geht also keineswegs nur um solche offensichtlichen Deformierungen wie sie oft bei stark religiös geprägten Menschen überdeutlich hervortreten. Sondern es ist praktisch durchgängig die gesamte Ebene der Erwachsenen betroffen. Wie hier im ZEIS Magazin verschiedentlich aufgezeigt, zieht sich das Phänomen auch bis in die höheren Ebenen der akademischen Lebenswissenschaften. Das sind die Hintergründe, wenn sogar heutige leitende und lehrende Professoren unter frappierender Verwindung und teilweise mittels Falschdarstellung ökologischer Sachverhalte der Anerkennung selbst grundlegender Eckpunkte ihres eigenen Fachgebietes ausweichen, um so – nicht unähnlich tricksenden Strafverteidigern – der leicht beweisbaren Widernatürlichkeit des zivilisatorischen Verhältnisses zu den gezüchteten und unterworfenen Organismen widersprechen zu können.

Mit den besagten Deformierungen ist für die meisten heutigen Erwachsenen schon die ansatzweise Vorstellung, dass es auf den belebten Ebenen der Natur fundamentale Ordnungen geben könnte, deren Erkenntnis und Beachtung für die Menschheit viel wichtiger wären als jene etwa zu Gravitation oder Lichtgeschwindigkeit, von denen ihnen aber trotzdem im Laufe ihres Lebens weder von Lehrern, Eltern, Professoren noch sonst jemandem irgend etwas erzählt wurde, fast unmöglich. Zudem sind jene Teile der der realen Welt, die in Folge der Verdrängung aus dem kollektiven und folglich auch dem individuell geformten Weltbild herausgeschnitten blieben, so groß, dass ein nachträgliches Einfügen in den bestehenden, eng zusammengewachsenen Rahmen hinein ohnehin kaum möglich ist.

Es gibt sicher unter den heutigen Erwachsenen trotzdem solche, die in der Lage sind, die Deformierungen durch eigene Reflexion ein gutes Stück weit zu überwinden und so eine gewisse Draufsicht auf den Gesamtzusammenhang zu gewinnen. Die Potenziale dieses wahrscheinlich nicht besonders großen Anteils würden bei einer erfolgreichen Notbremsung eine tragende Rolle spielen. Aber das heißt nicht, dass sie ausreichen könnten, um in die breite Masse der unaufgeklärten Erwachsenen hinein die Nachholung einer echten und vollständigen Aufklärung zu erzeugen. Solche Versuche würden an dieser zähen Masse abprallen wie an einer überdimensionalen Gummiwand. Wie in Teil 2 erläutert, wurden zum Beispiel zentrale Kernaussagen der Theorie Charles Darwins weitestgehend ignoriert und ausgeblendet, weil ihre offene Wahrnehmung dem Kollektiv einschließlich den Naturwissenschaften schlicht zu unangenehm war.

Der einzige realistische Ansatz für eine wirksame und schnelle Aufklärung kann deshalb nur auf den Ebenen möglichst junger Menschen liegen. Dort also, wo die Weltbilder noch in der Ausformung sind und die Deformierungen sowie deren Verfestigung von vorneherein verhindert werden könnten. Es gibt keinen Grund für die Annahme, dass sich die im Zuge des Verdrängungskomplexes ausgeblendeten und verfälschten Teile der Realität grundsätzlich nicht vollständig und korrekt in die entstehende Gesamtform der Weltsicht eines Menschen einbinden ließen. Die geistigen Potenziale sind hierzu bei weitem ausreichend – zumal es ja eigentlich nichtmal um komplizierte Dinge geht.

Entscheidend ist, in welche Richtungen und mit welchen Informationen der sich auszubilden beginnende Geist versorgt wird – oder eben nicht versorgt wird. Dabei sind enorme Bandbreiten möglich. Zum Beispiel versuchten frühere europäische Missionare in südlichen Kontinenten oft über Jahre hinweg und doch vergeblich erwachsenen Menschen aus Kulturen reiner Jäger und Sammler wenigstens die einfachsten Schritte der Grundrechenarten beizubringen. Der ehemalige Missionar und spätere Linguist Daniel L. Everett beschrieb, wie seine erwachsenen „Schüler“ im Dschungel Südamerikas schon bei der Addition einstelliger Zahlen scheiterten – obwohl sie sehr intelligent gewesen seien [31]. Nach Aufgabe seiner Missionstätigkeit begriff er, dass diese Leute seit ihrer allerfrühesten Kindheit völlig andere Dinge gelernt hatten und deswegen mit dem – uns als Selbstverständlichkeit erscheinenden – abstrakten Konzept der auf Papier gemalten Zahlen einfach grundsätzlich nichts anfangen konnten. Statt dessen seien sie im Besitz von erlerntem Wissen und daraus hervorgehenden Fähigkeiten gewesen, um alleine, nackt und ohne jegliche Hilfsmittel in den menschenleeren Wald zu gehen, dort zügig Waffen sowie Hütten zu fertigen und sich autark mit vielfältiger tierischer und pflanzlicher Nahrung zu versorgen.

Umgekehrt gibt es viele Beispiele dazu, dass Kinder, die in sehr frühen Lebensphasen aus Kulturen echter Jäger und Sammler herausgetrennt und etwa in europäische Siedlerfamilien integriert wurden, in den entsprechenden Schulen problemlos das Rechnen erlernten. Aber sie wiederum wären später als Erwachsene ohne Hilfsmittel in die Natur ausgesetzt genauso schnell zugrunde gegangen wie ihre Adoptiveltern.

Das theoretische Durchspielen aller erdenklichen Möglichkeiten zur finalen Erschließung des jetzt in Sicht gekommenen Hebels (hier nun zunächst unter Ausklammerung der Frage einer Umsetzbarkeit in solch weitreichender Form) führt folglich zu einem logischen Optimum, in dem die nachwachsenden Menschen überall auf der Erde bereits ab den frühesten Lebens- und Lernphasen und dann fortlaufend bis zur Erreichung des Erwachsenalters vorrangiger Teil eines tiefgreifenden ökologischen Aufklärungsprozesses werden. Dieser müsste systematisch auf die bisher verdrängten Zusammenhänge und Ordnungen der Natur, auf die Widernatürlichkeit von Zucht und Unterwerfung anderer Lebensformen sowie auch auf die Auflösung der kollektiven Verdrängungsmechanismen ausgerichtet sein.

Die frühesten und wahrscheinlich prägendsten Lernphasen sind bereits im Gange, wenn Kleinkinder erstmals Bilderbücher anschauen oder auf den ersten Spaziergängen in der realen Natur, während sie von den Eltern im Kinderwagen durch einen Park geschoben werden. Der Startpunkt innerhalb des ökologischen Gefüges, an dem bereits in diesen Phasen – also ab dem ersten Lebensjahr – angesetzt werden müsste und könnte, lässt sich unzweifelhaft ausmachen. Und er liegt schon wieder genau dort, wo nun schon mehrmals auf verschiedenen wichtigen Abschnitten des Weges der sensibelste Punkt erkannt wurde: Es sind eindeutig die anderen Wirbeltiere. Diese erwecken bei Kindern ohnehin mit Abstand weit mehr Interesse als alles andere innerhalb der nichtmenschlichen Teile der Realität. Sie sind wegen den großen Ähnlichkeiten zu uns Menschen seit jeher ein wichtiger Anknüpfungspunkt der sich ausbildenden Kognition an die Wirklichkeit. Überall auf der Erde wollen Kinder Stofftiere. Die ersten ihr Interesse weckenden Bilderbücher sind meist Tiergeschichten. Und wenn sie noch aus dem Kinderwagen heraus – vor dem Lernen des Lesens und Schreibens – ein freies Eichhörnchen entdecken, betrachten sie dieses oft mit hypnotisch erscheinender Konzentration.

Der logische erste Schritt für die in den frühesten Lernphasen beginnende Aufklärung besteht in der kindgerechten Vermittlung der Tatsache, dass alle diese Wirbeltiere in der freien Natur bis durchschnittlich weit gegen absolut gehend über sich selbst bestimmen. Dadurch kann das Verständnis für das ökologische Gefüge auf der obersten Ebene – welche die Wirbeltiere schon hinsichtlich ihrer Komplexität darstellen – angestoßen werden und ließe sich später in der Schulzeit quasi wie in einer kausal zusammenhängenden Pyramidenform nach unten stetig verbreitern und vertiefen – bis die jungen Menschen schließlich noch im Laufe ihrer frühen Jugend die in Teil 2 reflektierten Zusammenhänge vollständig begreifen.

Es mag nun auf den ersten Blick schwer vorstellbar sein, dass schon Kleinkinder verstehen könnten, dass die erkennbaren Handlungen wie Flucht oder Fortbewegung aller bei den ersten Ausflügen in die Natur beobachteten Amseln oder Eichhörnchen stets auf den eigenen und zum eigenen Nutzen getroffenen Entscheidungen des jeweiligen Tieres beruhen, nicht hingegen auf jenen eines anderen Tieres – dass sie sich also buchstäblich im Zustand der Freiheit befinden. Tatsächlich aber dürfte dieses Verständnis ziemlich leicht vermittelbar sein, wenn dies entsprechend angestrebt wird. Besagte Bilderbücher und Tiergeschichten könnten hierbei eine wichtige Untermauerung zum Aufbau des Lernprozesses bilden.

Wenn zum Beispiel in einer Geschichte eine Amsel dargestellt ist, die auffliegt und flieht, weil sich ein Habicht nähert, dann kann darin kindgerecht erklärt werden, dass diese Reaktion vollständig auf der Entscheidung der Amsel zu ihrem eigenen Nutzen beruhte – und nichtmal im Allergeringsten auf der Entscheidung des Habichts – der auch gar keine Möglichkeit hätte, daran etwas zu ändern, weil die Amsel eben im Zustand der Freiheit ist. Dieser Ansatz sollte verflochten sein mit praktischer Beobachtung. Schon in einem Park gibt es vielerlei Situationen zwischen verschiedenen Tieren, anhand derer dies möglich ist. In der Kombination mit den Bilderbüchern oder vorgelesenen Geschichten wird sich zügig eine entsprechende Sensibilisierung bilden. Schon sehr junge Menschen können und werden bei entsprechender Vermittlung begreifen, dass in der Natur die Handlungen aller beobachteten Tiere immer vorrangig auf eigenen Entscheidungen beruhen, die wiederum stets den eigenen Nutzen (oder den des Nachwuchses) zum Ziel haben.

Ganz ähnlich müsste ebenfalls sehr frühzeitig die Gefangenhaltung durch den Menschen als diesem Zustand diametral gegenläufige Existenzform erklärt werden. Auch das würden schon kleine Kinder verstehen. Sie wissen dann also, dass es in der Natur die Selbstbestimmtheit – und somit die Freiheit im Wortsinne – als zentrale Normalität gibt und die Gefangenhaltung anderer Tiere durch den Menschen etwas dem diametral Zuwiderlaufendes ist. Dadurch werden sich auch schon früh wichtige Abwehrkräfte gegen die zunächst noch vielfältig auf die jungen Menschen einwirkenden Mechanismen des kollektiven Verdrängungskomplexes bilden, also etwa die entsprechenden Realitätsverschiebungen in den Medien.

Dieser skizzierte Ansatz wird nun für die meisten heutigen Erwachsenen zumindest aus dem Stand heraus nicht nachvollziehbar sein oder sie werden zumindest nicht verstehen, warum exakt an dieser Stelle der Startpunkt für eine echte Aufklärung liegen muss. Sie könnten sich zwar jederzeit schon bei einem kleinen Spaziergang durch die Natur selbst davon überzeugen, dass tatsächlich alle zu Gesicht kommenden Amseln, Eichhörnchen, Frösche oder Fische über sich selbst bestimmen. Sie würden dann also mal genauer auf die Handlungen und Reaktionen der Vögel in den Bäumen und der Frösche und Fische im Teich achten und prüfen, ob diese sich in irgendeiner Weise unter der bestimmenden Beeinflussung der jeweils anderen Tiere befinden – oder ob ihre Handlungen tatsächlich nur auf eigenen und eigennützlichen Entscheidungen beruhen. Nach einiger Zeit würden sie erkennen, dass es bei keinem dieser Tiere eine entsprechende Fremdbestimmung gibt. Und vielleicht käme es dann sogar schon zu einer ersten Ahnung dahingehend, dass so etwas in der realen Natur auch gar nicht funktionieren könnte. Aber sie werden in aller Regel nicht in die Natur gehen und selbst nachschauen, weil sie es gar nicht wissen wollen. Die psychologischen Gründe dafür wurden ebenfalls in Teil 2 ausführlich behandelt.

Alle von klein auf in das System der Zivilisation eingeflochtenen Erwachsenen haben sich im Laufe ihres Lebens unausweichlich und auf vielfältige Weise an die Mechanismen und Wirkungen des kollektiven Verdrängungskomplexes angepasst. Dass die Freiheit – also die Selbstbestimmung – eine besonders anhand der Wirbeltiere leicht beobachtbare und ebenso begreifbare Norm der Natur ist, wurde zwar auf der kollektiven Ebene seit jeher erkannt. Deswegen haben sich beispielsweise im Volksmund der meisten Sprachfamilien solche Begrifflichkeiten gebildet wie „freie Natur“. Diese Redewendungen sind aber nur kleine, quasi wie Ölflecken an die Oberfläche getretene Fragmente eines eigentlich sehr wichtigen, aber nunmal mit großen geistigen Kräften in das Unterbewusstsein hinabgedrückten Wissens rund um die natürliche Norm der Freiheit.

Es sollte vorsorglich davon ausgegangen werden, dass in beträchtlichen Anteilen unter den heutigen Erwachsenen starke innere und teilweise auch nach außen getragene Widerstände entstünden, wenn sie erfahren würden, dass nun plötzlich den nachwachsenden Generationen ab dem Kleinkindalter die Realität der Natur und die Freiheit als eine dortige zentrale Norm erklärt werden sollen. Diese Widerstände lassen sich zur Veranschaulichung testweise provozieren, indem man in einem Internetforum die Freiheit als mechanische Norm der Natur erläutert. Typische Reflexe sind mitunter sehr emotional vorgetragene, sich oft wiederholende Aussagen wie: „Das stimmt doch alles gar nicht, die Natur ist grausam.“ oder „Freiheit spielt in der Natur keine Rolle, da geht es nur ums Fressen und Gefressenwerden.“ Es handelt sich dabei um kompensatorische Abwehrreaktionen zur Verteidigung jener Realitätsverschiebungen, welche zum Zwecke des Spannungsabbaus im Rahmen der in Teil 2 reflektierten kognitiven Dissonanz entstanden sind.

Die Frage, wie weit diese emotionalen Widerstände gehen könnten, wird hier nun nicht näher behandelt. Aber dass es sie grundsätzlich geben wird, sollte beachtet werden – gerade auch wenn es um eine Mitwirkung an dem Aufklärungsprozess geht. Einer in diesem Sinne engagierten Person könnte zum Beispiel innerhalb eines pädagogischen Systems eine schädliche Indoktrination von Kindern vorgeworfen werden. Dass die Kinder in Wirklichkeit nur Vorteile haben und vor sehr großen Schäden bewahrt werden, wenn ihnen die ökologische Realität und der Verdrängungskomplex erklärt werden, kann ein von diesen Schäden selbst betroffener, unaufgeklärter Mensch, also etwa ein Schulleiter, wahrscheinlich zumeist kaum oder gar nicht begreifen.

Jetzt soll noch einmal zur Verdeutlichung auch mittels konkreter Beispiele der Lerninhalte kurz durchgespielt werden, wie der frühest ansetzende Aufklärungsprozess durchweg bis zum Ende der Schulzeit auszusehen vermag. Er beginnt also damit, dass die nachwachsenden Generationen ab dem ersten Lebensjahr mittels Bilderbüchern, vorgelesenen Tiergeschichten und Ausflügen mit Tierbeobachtungen in der realen Natur darüber aufgeklärt werden, dass sich die dortigen Tiere regelmäßig im Zustand der Freiheit befinden, ihre Handlungen also auf selbstbestimmten Entscheidungen zum eigenen Nutzen beruhen. Und dies wird bereits frühzeitig kombiniert mit der kindgerechten Erklärung, dass die durch den Menschen betriebene lebenslange Gefangenhaltung anderer Tiere eine dieser Normalität gegensätzliche Widernatürlichkeit ist.

Am Anfang der Schulzeit wären zunächst weiter etwa Bilderbücher und Tiergeschichten in Kombination mit der praktischen Beobachtung relevant, nun sollte aber eine systematische Struktur aus thematischen Schulfächern aufgebaut und dann stetig erweitert werden. Dabei gilt es, parallel zu den Zusammenhängen und Ordnungen des Ökosystems, durchgehend das Problem der Widernatürlichkeit der zivilisatorischen Landwirtschaft weiter zu fokussieren. Und nun sollte zudem eine gezielte Konzentration auf die psychologischen Mechanismen der Verdrängung eingeleitet werden. Das umfangreiche Volumen dieser Lerninhalte ließe sich bereits in den ersten Schuljahren auf drei parallele Stränge und mehrere Fächer verteilen. Folgend nun einmal die Kombination skizziert anhand konkreter Lerninhalte.

Eine thematische Basis im direkten ökologischen Unterricht läge in den Kategorien der Beziehungen zwischen verschiedenen Spezies, also unter anderem den Räuber-Beute-Beziehungen, den symbiotischen und den parasitären Wechselwirkungen. Bereits für die ersten Schuljahre wäre aus mehreren Gründen die Räuber-Beute-Beziehung am besten zum Einstieg geeignet, zunächst ebenfalls anhand der Wirbeltiere. Dabei müsste der Aspekt der Freiheit als zentrale natürliche Norm im Blick bleiben. Die Schüler lernen also, dass der weitaus größte Teil der Lebensspanne auf Seiten der Beute in Selbstbestimmtheit verläuft und ihr Ende, wenn sie zum Beispiel als Maus von einem Falken erbeutet wird, nur eine relativ dazu winzigen Bruchteil ausmacht. Sie fangen dann frühzeitig an zu begreifen, dass die Räuber-Beute-Beziehungen nichts zu tun haben mit langem Leid und Elend auf Seiten der Beute und dass deren Existenz von dem – ihnen ja nun bereits jahrelang verinnerlichten – Zustand der Freiheit dominiert war. Dadurch wird nicht nur die realistische Sicht auf das ökologische Gefüge weiter aufgebaut. Sondern die Kinder werden vorbeugend gegen einige besonders schwerwiegende Deformierungen und Verstümmelungen des Naturbildes geschützt, die unter heutigen Erwachsenen allgegenwärtig sind, nämlich solche unrealistischen Reduzierungen wie „Fressen und Gefressenwerden“ oder „grausame Natur“.

In dem zweiten parallelen Strang ginge es darum, die extremen Widersprüche zwischen den freien Existenzen der potenziellen oder tatsächlichen Beutetiere in der Natur mit ihrem fast vollständig (also bis auf die letzten Bruchteile) frei entfalteten Leben zu jenen der vom Menschen lebenslang gefangen gehaltenen „Nutztiere“ vertiefend zu behandeln, so dass das Begreifen des drastischen Unterschiedes weiter voranschreitet.

Und in dem dritten parallelen Strang, also jenem zur Auflösung der Verdrängungsmechanismen, wird derweil gezielt gezeigt, wie die ökologischen Räuber-Beute-Beziehungen innerhalb der Zivilisation, also etwa in den Produkten der Massenmedien, so verdreht werden, dass der winzige Bruchteil des Geschehens rund um die Erbeutung eben nicht mehr winzig erscheint, sondern etwa durch fotografische oder filmische Konservierung und Heraushebung genau umgedreht als dominierendes Merkmal der Natur – während die zentrale Regelmäßigkeit der Freiheit praktisch unerwähnt bleibt.

In dieser Kombination der drei Stränge – die schon in den ersten Schuljahren auf drei separate Fächer verteilt werden sollten – werden die Kinder also zügig und parallel ein realistisches und positives Naturbild aufbauen, dazu klar und offen die Problematik der widernatürlichen Beziehung zu den gezüchteten und gehaltenen „Nutzorganismen“ begreifen lernen und eine zunehmende Immunität gegen die etwa über die Medien auf sie einwirkenden, schädlichen Verdrängungsmechanismen gewinnen.

Ein weiteres wichtiges und praktisch unerschöpflich großes Feld zum aufbauenden Erlernen der ökologischen Realität bietet sich rund um die symbiotischen Beziehungen zwischen verschiedenen Spezies. Auch dies ließe sich mit dem gleichen Schema der drei parallelen Stränge behandeln wie eben zu den Räuber-Beute-Beziehungen skizziert. Und bereits in den ersten Schuljahren könnte der diesbezügliche Lernprozess hier nun auch schon über die Wirbeltiere hinaus erweitert werden.

Ein Beispiel für ein geeignetes frühes Anschauungsthema rund um die symbiotischen Beziehungen wäre der Ameisen-Blattlaus-Mutualismus. Zunächst wird den Schülern erklärt, wie die Blattläuse ihre ansonsten für sie nutzlosen Fäkalien gezielt einsetzen, um Ameisen anzulocken und warum sie dies tun. Sie lernen also, dass – so wie sie es bereits über die freien Wirbeltiere gelernt haben – die Entscheidungen und Handlungen der Blattläuse stets vorrangig ihrem eigenen Nutzen dienen. Bei passender Jahreszeit beobachten die Kinder dann im praktischen Teil des Unterrichts im Schulgarten (idealerweise groß und üppig, aber selbstverständlich ohne Käfige) mit der Lupe, wie das in der Realität aussieht, wenn die Läuse den Ameisen den Honigtau entgegenstrecken.

In dem parallelen „psychologischen“ Fach würde anschließend angeschaut, wie diese mutualistische Beziehung in den Medien und anderswo gezielt so verdreht dargestellt wird, dass die Läuse wie gefangen gehaltene „Milchkühe“ erscheinen. Hierzu gibt es viel Material zur Verdeutlichung, welches teilweise mit entsprechender Erklärung auch von jungen Kindern gut durchschaut werden kann (Es dürfen auch gerne die im ZEIS Magazin gezeigten Beispiele Verwendung finden).

Und in dem Fach zur Aufdeckung der Widernatürlichkeit des zivilisatorischen Umganges mit anderen Lebensformen wiederum werden derweil die Gründe für diese nun offensichtlich gewordene Realitätsverdrehung behandelt. Es wird also unter anderem erklärt, dass die eigentliche Funktion der Milch niemals darin gelegen hat, den Menschen anzulocken, wie es die Blattläuse mittels ihrer Fäkalien gegenüber den Ameisen tun, sondern dass ihr einziger Zweck darin lag und liegt den eigenen Nachwuchs zu nähren. Und auch die weiteren Widernatürlichkeiten rund um die Gefangenhaltung der „Milchkühe“ werden stetig vertiefend thematisiert.

Es gibt viele weitere, sehr gut geeignete Anschauungsobjekte zur Anwendung der verflochtenen Kombination der drei Hauptstränge. Stets kann an ihnen das Erlernen der ökologischen Realität und der natürlichen Ordnungen weiter ausgebaut werden, während parallel die gezielte und offene Behandlung der diesen zuwiderlaufenden Verhältnisse der Zivilisation zu den „Nutztieren“ erfolgt. Und schließlich wird sich durch die stetige Aufdeckung der verschiedenen Verdrängungsmechanismen eine generelle Immunität gegen dieselben immer weiter verstärken. Was es zum Beispiel mit dem angeblichen Gottesbefehl zur Unterwerfung der Erde und dem Herrschen über die anderen Tiere auf sich hat, werden die Schüler wahrscheinlich noch im Laufe des Grundschulalters so leicht begreifen, dass sie es gewissermaßen lustig finden.

Die weiteren thematischen Schritte des Lernprozesses bis zur Oberstufe müssen hier nun nicht skizziert werden, sie entsprechen den ausführlichen Reflexionen in Teil 2. Es ginge also bald schon um die im nachhaltigen Sinne besehende Unmöglichkeit der generationsübergreifenden Manipulation zwischen verschiedenen Lebensformen, um die unbeherrschbar hohen Komplexitäten der Informationen in allen Genomen sowie um eine stetig weiter vertiefende Auflösung des Verdrängungskomplexes.

Damit sich ein tragfähiges Fundament für den möglichst weitreichenden Aufbau des ökologischen Wissens bilden kann, wäre von Anfang bis Ende die Vermeidung eines potenziell sehr schädlichen Fehlers wichtig: Und zwar darf die Erklärung der Freiheit und anderer ökologischer Sachverhalte niemals auch nur ansatzweise mit solchen Kategorien wie Ethik, Moral oder Philosophie in Verbindung gebracht werden. Die Freiheit und der gesamte ökologische Kontext müssen von Beginn an vollkommen nüchtern und sachlich als konkret, mechanisch, logisch begreifbar und in der Natur real beobachtbar erklärt und gezeigt werden. Die erstgenannten Kategorien weichen das Konkrete auf. Sie werden deswegen im Rahmen der unterbewussten Verdrängung schon seit Jahrhunderten und Jahrtausenden sowie bis in die Gegenwart vielfältig und ausgiebig verwendet, um die natürliche Regelmäßigkeit der Freiheit als auch andere ökologische Tatsachen zu Unkonkretem umdeuten und folglich zerreden zu können. Wenn also etwas über Ethik oder Moral gelehrt wird, was in anderen Bereichen sinnvoll sein kann, so muss dies strikt abgetrennt von den Fächern der ökologischen Aufklärung geschehen.

In dem globalen Idealszenario wären die Schüler dann also überall auf der Erde schon früh nicht nur im Besitz des Wissens über Addition und Subtraktion, sondern in umfangreicher Weise über jenes der bisher in der Zivilisation ausgeblendeten fundamentalen Realitäten und Ordnungen der belebten Natur. Sie wüssten Bescheid über die Problematik des widernatürlichen Verhältnisses zu den gezüchteten und gehaltenen „Nutzorganismen“ sowie über die psychologischen Verwicklungen im Zuge derer Verdrängung. Da die Schulsysteme fast überall auf der Erde ziemlich gleich funktionieren, würde so innerhalb rund eines Jahrzehnts eine Generation wirklich aufgeklärter Menschen heranwachsen – mit einem Durchblick und einem Weltbild, welche sehr weit über jene ihrer Eltern hinausreichten.

Es stünde außer Frage, dass diese jungen Leute sich in drastischer Weise anders verhielten als heute üblich. Dass sie noch Produkte aus solchen eskalierten Perversionen konsumieren wie die heutige massenhafte „Tierproduktion“, wäre nach logischem Ermessen ausgeschlossen. Da die anderen Tiere und ihre regelmäßige Freiheit in der Natur sowie auch die Widernatürlichkeit ihrer Gefangenhaltung schon ab der frühesten Kindheit im Mittelpunkt eines Lernprozesses standen, würde diese gesamte Industrie mit großer Wahrscheinlichkeit sogar schon in den ersten Jahren des Idealszenarios zusammenbrechen – also noch weit bevor die Veränderung des Konsums der aufgeklärten Kinder direkt durchschlägt. Es käme nämlich automatisch schon sehr früh jenes zur Wirkung, was in der im Teil 1 erwähnten ifo-Studie als „umgekehrte intergenerationelle Übertragung von Einstellungen und Werten von Kindern auf Erwachsene“ bezeichnet wurde.

Die Kinder würden hinsichtlich der Notwendigkeit der Beendigung der Gefangenhaltung anderer Tiere automatisch eine so hohe Priorität erkennen, dass sie die Ebenen ihrer unaufgeklärten Eltern und anderer Erwachsenen gewissermaßen von unten nach oben herauf überrollen und diese sich ebenso automatisch – und zwar aus völlig freier eigener Entscheidung heraus – an das aufgeklärte Weltbild der jungen Generationen anpassen. Das was damals rund um „Fridays for Future“ passiert ist, als sich zigtausende Wissenschaftler hinter Kinder stellten, deren Bewegung von Großkonzernen zu Hauptversammlungen eingeladen wurden und Industriestaaten ihre politischen Agenden anpassten, würde prinzipiell genauso geschehen – nun aber in einer ganz anderen, viel größeren und tieferen Dimension.

Solche Anteile unter den Erwachsenen, die noch versuchten, sich gegen anrollende Wirkung zu stemmen, würden sich zügig verkleinern, weil der Anteil, der sich hinter die jungen Menschen stellt, automatisch und schnell vergrößert. Bestimmt blieben viele der heutigen industriellen Massentierhaltungsanlagen trotzdem dauerhaft stehen – allerdings ohne echte Tiere, als mahnende Besichtigungsobjekte einer bizarren Vergangenheit der menschlichen Zivilisation.

Dass sich auch das sonstige Verhalten und die Bereitschaften zu vielerlei Verzichten bei aufgeklärten Generationen im Vergleich zu heutigen Menschen sehr verschieden ausrichten würden, lässt sich nicht etwa nur schätzen, sondern sicher voraussagen. Denn die Kombination aus der nun vollständigen Informationsgrundlage zur realen Situation mit dem weiterhin vorhandenen starken Überlebenstrieb ließe gar keine andere Entwicklung zu. Ein Rückblick auf die vorhin ins Spiel gebrachte Metapher macht dies deutlich: Dass die Besatzung des angeschlagenen Schiffes trotz des nunmehr erlangten vollständigen Wissens über den entgegenkommenden Orkan und die in anderer Richtung gerade noch erreichbare Insel lieber den feuchtfröhlichen Abend fortsetzt, anstatt sofort all ihre Kräfte für die Rettung einzusetzen, kann nach logischem Ermessen mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Dabei lässt sich übrigens der „feuchtfröhliche Abend“ gut mit den bizarren Verflachungen und Veralberungen gleichsetzen, die aktuell im Internet und anderen Medien überdeutlich erkennbar werden.

Durch das realistisch aufgeklärte und nun gesunde Weltbild werden sich auf der kollektiven Ebene die geistigen Blockaden auflösen, die im Zuge der Verdrängung historisch entstanden sind und bis heute bestehen. Mit der Überwindung der eskalierten Versklavung anderer Tiere entfällt der einstige, seit Jahrtausenden wirkende kognitive Hauptteil des gesamten Verdrängungskomplexes. Es käme zur Freisetzung enormer, in der Zivilisationsgeschichte bisher nie genutzter intellektueller Potenziale. Diese stünden unter anderem zur Findung von Wegen zur Verfügung, die pflanzliche Landwirtschaft auf vernünftige Weise in tendenziell stabile Formen zu bringen. Aufgrund des immensen Volumens der bisher ungenutzten und nun freiwerdenden geistigen Potenziale sind die gesamten sonstigen positiven Auswirkungen und weiteren Entwicklungen aus der jetzigen Perspektive gar nicht absehbar.

Nun mag sich ein Einwand aufgedrängt haben: Selbst wenn theoretisch alles so funktionieren würde, wie in dem Idealszenario skizziert, so erscheint dessen praktische Umsetzung in solch einem weitreichenden und schnellen Format aus verschiedenen Gründen völlig unrealistisch. Das Durchspielen des Optimums direkt beginnend auf der gesamten globalen Ebene diente hier tatsächlich erstmal nur zur Feststellung der potenziellen Mechanismen und Funktionen des einzig möglichen Hebels. Was es in der Realität bräuchte, sind graduelle Annäherungen – so weit und so schnell wie möglich. Und das wiederum wäre die Aufgabe jenes schon mehrmals erwähnten, wahrscheinlich nicht allzu großen Anteils unter den heutigen Erwachsenen, die trotz der Verdrängungsmechanismen doch in der Lage sind, den Gesamtzusammenhang ein gutes Stück weit zu verstehen.

Möglicherweise könnte bereits ein signifikanter Start des Prozesses in einem oder zwei einflussreichen Staaten einen Dominoeffekt auslösen, der sich dann exponentiell aufweitet, dem kollektiven Verdrängungskomplex auf globaler Ebene zunehmend die Stabilität nimmt und ihn schließlich zusammenbrechen lässt. Auch andere Szenarien sind denkbar, bei denen nicht etwa erstmal mühselig das gesamte zivilisatorische Schulsystem neu ausgerichtet werden müsste, sondern die Wirkungen sich aus kleinen Anfängen sehr schnell und dynamisch ausbreiten. Entscheidend wird immer sein, dass der gefundene Hebel genutzt wird.

Es soll hier zum Schluss noch darauf hingewiesen sein, dass der dargestellte Hebel zwar der einzige wäre, durch den noch eine geordnete Notbremsung erzeugt werden könnte, dass dies aber nicht bedeutet, dass es überhaupt keine weiteren wichtigen Ansätze zur ergänzenden Unterstützung des Aufklärungsprozesses gäbe. Solche sind sogar in verschiedener Weise vorhanden und könnten auch direkt ohne Umwege in die heutigen Ebenen der erwachsenen Menschen führen. Einer mit nicht geringem Potenzial beträfe die Einzwingung der im Teil 2 geschilderten, im nachhaltigen Sinne bestehenden Unmöglichkeit der künstlichen Zuchtwahl in die akademischen Lebenswissenschaften. Dieser äußerst wichtige und grundlegende Sachverhalt müsste dort eigentlich einen Mittelpunkt der Aufmerksamkeit bilden. Statt dessen wird er ausgeblendet und beträchtliche Anteile der Ressourcen des Fachgebietes stehen auch noch ausgerechnet unter dem Einfluss der Agrarindustrie. Das Aufbrechen dieser fatalen Versäumnisse und Konstellationen – die oftmals unter der Verantwortung öffentlich bezahlter akademischer Leitungskräfte stattfinden – könnte also im gesamten Aufklärungsprozess eine wichtige Ergänzung bilden.

Und zu guter Letzt: Sollte es für eine echte Notbremsung bereits zu spät sein, sich also quasi der Aufprall des Zuges auf das Ende der Sackgasse schon aus physikalischen Gründen gar nicht mehr verhindern lassen, so könnten sich die beim Versuch einer noch rechtzeitigen Aufklärung entstehenden Ansätze vielleicht später doch noch als nützlich erweisen. Möglicherweise blieben nach dem Aufprall in den Trümmern noch Teile der zivilisatorischen Strukturen mit vielen Menschen übrig, die dann nach Wegen für einen Neuanfang und für eine Vermeidung der erneuten Beschleunigung hinein in Sackgasse suchen.


Quellen:

[31] Daniel Everett. Das glücklichste Volk: Sieben Jahre bei den Pirahã-Indianern am Amazonas. 15. Februar 2010. Deutsche Verlags-Anstalt.