Spuren zu einem Hebel für eine späte Notbremsung – Teil 2

Kernursache und Struktur der Problematik

Von Steffen Pichler

Dass sich so etwas wie eine menschengemachte Katastrophe vollzieht, das hatten die Beteiligten von „Fridays for Future“ wie auch jene anderer Bewegungen also grundsätzlich richtig erkannt. Aber diese wird eben bei weitem nicht nur mit dem hauptsächlich fokussierten Schwerpunktthema, also Treibhausgasen und Klimawandel zu tun haben.

Selbst wenn es der Menschheit gelänge, etwa die Verwendung fossiler Brennstoffe viel stärker zu reduzieren als es in den optimistischsten Szenarien vorausgesagt wird, so beträfe dies nur einen von vielen Parametern eines ganzen Komplexes ineinander verflochtener interner und externer Zersetzungseffekte rund um das zivilisatorische System. Diese hängen direkt oder indirekt mit der in Teil 1 kurz skizzierten Transformation der irdischen Biomasse von der einstigen freien Evolution und freien Existenz der verschiedenen Lebensformen hin zur lenkenden Zucht und Unterwerfung durch den Menschen zusammen.

Da ohne die durch die Agrarmethodik verursachte Vervielfältigung der Nahrungsmenge die starke und zuletzt explosionsartige Vermehrung des Homo sapiens unmöglich gewesen wäre, ist die – zu Recht so genannte – Überbevölkerung unzweifelhaft eine ihrer kausalen Auswirkungen. Durch diese Vermehrung multiplizieren sich nun zahlreiche schädliche Effekte. Teilweise hängen sie mit kognitiven Verwicklungen zusammen, die sich in einem weithin sinnfreien „Konsumrausch“ äußern, auf den später noch eingegangen wird. Aber die Schäden entstehen auch vielfältig direkt durch die Transformation selbst und sind durch zahlreiche empirische Dokumentationen belegt. Dies gilt zum Beispiel für stark beschleunigende Bodendegradationen auf mittlerweile über 80 Prozent der fruchtbaren Landebenen des Planeten [14], ebensolche Abholzungen von tropischen Waldgebieten zur Schaffung neuer Anbauflächen für Tierfutter [15], zunehmende Kontaminationen von Wasser und Land durch Pestizide und andere Chemikalien sowie schwindende Süßwasserbestände [16]. Die Degradationen und Umwandlungen der einstigen Vegetationsflächen dürften auch wesentlichen – wahrscheinlich unterschätzten – Einfluss auf die beobachteten Veränderungen des globalen Klimas haben.

Weil gesamtheitlich die Lebensgrundlagen der großen und sogar immer noch weiter wachsenden Menschenpopulation selbst zügig an Stabilität verlieren, kommt es darin automatisch zu höheren Spannungen und vermehrten militärischen Auseinandersetzungen. Es lässt sich folgern, dass diese ohne schnelle Notbremsung sowohl qualitativ als auch quantitativ in noch weit größere Maßstäbe hinein eskalieren werden.

„Fridays for Future“ und auch andere Klimabewegungen zielten und zielen also hauptsächlich auf einzelne Symptome von etwas, das sich mit einer sehr schweren und zügig in Richtung eines finalen physischen Zusammenbruches verlaufenden Krankheit vergleichen lässt. Deren symptomatische Behandlungen sind keineswegs sinnlos und oft sogar wichtig. Aber sie können letztlich nicht die Wurzel der Krankheit erreichen, um sie wirksam auszuhebeln. Nur dadurch könnte der destruktive Gesamtprozess auf eine geordnete Weise gestoppt und umgekehrt werden. Und dann würden sich die vielfältigen Symptome von alleine zurückbilden.

Die eigentliche Wurzel, also die wirkliche Kernursache, ist einerseits zwar konkret identifizierbar und auch nicht allzu kompliziert. Aber andererseits ist ihre offene Erkennung trotzdem mit sehr großen Schwierigkeiten verbunden. Zunächst liegt dies daran, dass es einer Aufweitung der – in Teilen der heutigen Menschheit drastisch verengten – Perspektive bedarf, um sie entsprechend klar sehen zu können. Vor allem aber ist ihre Betrachtung aus dem Blickwinkel des Systems der Zivilisation heraus selbst dann noch so unangenehm, dass es anstrengende Überwindung erfordert, dort überhaupt hinzuschauen – und nicht sofort die Augen wieder abzuwenden.

Die besagte Kernursache lässt sich am besten unterteilt in zwei Hälften reflektieren, nämlich eine physische und eine psychische. Nun zunächst zur physischen Hälfte: Diese besteht in einem schweren Fehler im allertiefsten Fundament des zivilisatorischen Systems. Um einen solchen handelt es sich nämlich bei der Methode der künstlichen Zuchtwahl, also dem gezielt lenkenden Eingriff in die Evolution anderer Lebensformen. Sie läuft fundamentalen ökologischen Ordnungen zuwider, welche sich nicht brechen lassen. Deswegen kann die Methode unmöglich nachhaltig funktionieren und führt automatisch in eine evolutionäre Sackgasse.

Diese Unmöglichkeit lässt sich zunächst dadurch indirekt erkennen, dass im gesamten sonstigen Ökosystem nichts Entsprechendes zu finden ist. Alle Merkmale jeglicher Spezies bilden sich in der natürlichen Evolution immer zugunsten des eigenen vorrangigen Nutzens aus, niemals hingegen zu dem einer anderen Art. Der Naturforscher Charles Darwin hatte durch eigene Naturbeobachtung die entsprechenden mechanischen Hintergründe verstanden und in die Mitte seiner Theorie gestellt – was aber von den nachfolgenden Naturwissenschaften bis heute nur oberflächlich beachtet wurde. Darwin schrieb sogar mehrmals, dass seine gesamte Theorie widerlegt wäre, wenn in der Natur auch nur ein einziges Beispiel gefunden würde, in dem irgendein Merkmal einer Spezies zum ausschließlichen Nutzen einer anderen Art entstanden ist. Folgend eine Übersetzung aus seinem Hauptwerk „Über die Entstehung der Arten“, das englische Original kann im Darwin-Archiv „Darwin Online“ nachgelesenen werden [17]:

“Natürliche Selektion kann unmöglich irgendeine Abänderung in irgendeiner Spezies bewirken, welche nur einer anderen Spezies zum ausschließlichen Vorteile gereicht, obwohl in der ganzen Natur eine Spezies ohne Unterlass von der Organisation einer andern Nutzen und Vorteil zieht. (…) Ließe sich beweisen, dass irgendein Teil der Organisation einer Spezies zum ausschließlichen Besten einer anderen Spezies gebildet worden sei, so wäre meine Theorie vernichtet, weil eine solche Bildung nicht durch natürliche Selektion bewirkt werden kann.” (Charles Darwin, 1859)

Bis heute wurde tatsächlich – trotz gelegentlicher Falschbehauptungen – nie ein solches Beispiel gefunden. Dies obwohl schon mit flüchtigem Blick auf die mittlerweile Millionen empirischen Beschreibungen zu ökologischen Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Formen des Lebens zahlreiche Möglichkeiten dazu denkbar sind, wie so etwas entstehen könnte. In den extrem komplexen Beziehungen unter Viren und Mikroben, wo genetische Manipulationen quasi Alltagsgeschäfte sind, gäbe es im Grunde sogar unbegrenzt viele theoretische Möglichkeiten. Es müssten demnach eigentlich vielfältige parasitäre Strategien entstanden sein, in denen eine Spezies daraufhin wirkt, zur Schaffung eigenen vorrangigen Nutzens die Evolution ihrer Wirte, man könnte auch sagen ihrer „Opfer“, zu manipulieren. Aber es gibt sie in keinem einzigen empirisch beschriebenen Fall [18].

Zur Annäherung an die Hintergründe dieses Fehlens ist ein Gespür dafür erforderlich, in welchen für uns unfassbaren, geradezu absurd erscheinenden Höhen die Komplexitäten innerhalb des ökologischen Gefüges liegen. Die Betrachtung einzelner konkreter Beispiele lässt hierzu eine Ahnung entstehen. So wird seit Jahrzehnten unter Beteiligung hunderter Institute, tausender Wissenschaftler, enormer Rechenkapazitäten und Milliardensummen an Geld versucht, das die Krankheit AIDS verursachende HIV-Virus zu entschlüsseln und dadurch auszuschalten. Aber obwohl dessen Erbinformationen in einem relativ kleinen Genomstrang mit gerade 9700 der immer gleichen vier Nukleotiden codiert sind, konnten bisher trotzdem nur Möglichkeiten der medikamentösen Drückung der Viruslast und zur symptomatischen Behandlung der Krankheit gefunden werden.

Es lässt sich sicher voraussagen, dass es eine echte Entschlüsselung des HIV-Virus durch den Menschen auch künftig nicht geben wird. Denn die Zahl der Kombinationsmöglichkeiten innerhalb der Abfolge der 9700 Nukleotide und folglich die potenzielle Komplexität der darin gespeicherten, in vielleicht hunderten Millionen Jahren der Auseinandersetzung mit den Wirten und anderen Umwelteinflüssen gesammelten und geordneten Informationen ist dafür viel zu groß. (Anmerkung: Oft wird fälschlich von „Entschlüsselung“ geschrieben, wenn eigentlich nur die Sequenzierung gemeint ist, also das bloße Ablesen der Reihenfolge der codierenden Nukleotide.)

Die Codierungen in den Genomsträngen liegen bei allen Lebewesen und bei DNA-Viren innerhalb einer Aneinanderreihung von Molekülen der immer gleichen vier Nukleotid-Basen Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin, was abgekürzt wird als A, T, G und C. Dieses Prinzip erscheint zunächst recht einfach. Die praktische Unmöglichkeit der Entschlüsselung wird mittels einer Berechnung der Zahl der Kombinationsmöglichkeiten erkennbar. Hierzu eignet sich jene Formel namens „Variation mit Wiederholung“. Ausgeschrieben lautet sie schlicht so: (n^k). Die Zahl der Sorten von zur Verfügung stehenden Nukleotiden, also A, T, G und C, werden zu „n“ (n=4) und der Platzhalter für die Länge der Reihe ist „k“. Damit kann jetzt nachgeschaut werden, wie sich das Ergebnis zu der möglichen Anzahl der Kombinationsmöglichkeiten ändert, wenn die Länge des Genomstranges, also k, schrittweise vergrößert wird.

Folgend beispielhaft zwei Ergebnisse:

n = 4
k = 10
(4^10) = 1.048.576

n = 4
k = 200
(4^200)=
2.582.250.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000

Das Ergebnis bei k=10 mit etwas über einer Million und somit sieben Ziffern ist wenig spektakulär. Aber offensichtlich bewirkt die Erhöhung der Reihenlänge k kein lineares, sondern ein stark exponentiell anwachsendes Ergebnis. Schon durch die Erhöhung auf das 20fache zu k=200 erscheint plötzlich eine unfassbar gigantische Zahl mit 121 Stellen. In der Potenzschreibweise mag diese dann mit 2,58 x 10^120 vielleicht wieder eher unspektakulär wirken. Es gibt sogar Bezeichnungen für solche großen Zahlen, in diesem Fall lautet sie 2,58 Vigintillion.

Um was es hier allerdings wirklich geht, lässt sich erahnen, wenn man nun einmal nachschaut, was in einem anderen Zusammenhang von Astrophysikern als Obergrenze geschätzt wird: nämlich die maximal anzunehmende Zahl sämtlicher Atome des Universums. Gemeint ist damit tatsächlich die Gesamtheit aller atomaren Teilchen, aus denen das gesamte Universum mit all seinen Galaxien und sämtlichen Himmelskörpern besteht. Schon die Anzahl der Atome in einem einzigen Wassertropfen oder gar einer ganzen Wasserpfütze sind für unsere Vorstellung nicht mehr wirklich fassbar. Die sachkundigen Schätzungen für das gesamte Universum bewegen sich zwischen 10^84 und 10^89 [19]. Selbst die höchste Schätzung, also 10^89, würde rund 10 Quintillion Mal (Faktor 10^31) in die ermittelte Zahl der 2,58 Vigintillion Variationsmöglichen bei k=200 passen.

Die geschätzte Gesamtzahl aller Atome des Universums verschwindet also fast im Vergleich zu den Kombinationsmöglichkeiten eines fiktiven Minigenoms mit 200 Nukleotiden. In die Formel nun statt 200 sogar jene 9700 der realen Genomlänge des HIV-Virus einzusetzen ist sinnlos, weil mit dem Ergebnis nichts anzufangen ist. Die meisten Rechenprogramme würden auch gar kein Ergebnis mehr ausliefern und das Ausschreiben der Zahl würde in diesem Artikel zu viel Platzgründen benötigen. Der Mensch wird deswegen niemals, selbst wenn er die gesamte Materie des Planeten Erde in einen gigantischen und hocheffizienten Computer verwandeln könnte, die gespeicherten Informationen irgendeines in hunderten Millionen oder Milliarden Jahren der Evolution sortierten Erbgutes wirklich entschlüsseln. Übrigens sind Viren-Genome tatsächlich noch winzig im Vergleich zu jenen der stoffwechselnden Lebewesen. Das kleinste bekannte Bakterien-Genom, jenes der Spezies Carsonella ruddii, hat immerhin fast 160.000 Basenpaare.

Das fehlende Verständnis der unbeherrschbar hohen Komplexitäten des ökologischen Gefüges führt auch in den Naturwissenschaften zu vielfältigen Missverständnissen und Irrtümern. Wenn zum Beispiel fachlich darüber gejubelt wird, dass der Mensch mit dem CRISPR/Cas-Verfahren zur Veränderung von Genomen eine neue Erfindung hervorgebracht habe, so ist dies im Grunde nicht richtig. Die entsprechenden „Schneidewerkzeuge“ sind mindestens seit mehreren Hundert Millionen Jahren in etlichen Bakterienspezies konvergent entstanden. Die menschliche Technologie besteht wesentlich darin, diese Werkzeuge aus Bakterien zu isolieren und umzufunktionieren. Aber kein Bakterium und kein Virus hat trotz der aus den vielfältigen und geradezu unendlich erscheinenden Höhen der Komplexität entstehenden Möglichkeiten irgendein eigennützliches Werkzeug oder eine Methode zur Veränderung von Merkmalen anderer Lebensformen über deren Generationen hinweg hervorgebracht. Warum nicht? Die Antwort kann nach logischem Ermessen nur darin liegen, dass es nicht nachhaltig funktioniert.

Diese im nachhaltigen Sinne bestehende Dysfunktionalität hängt mit den unbeherrschbar hohen Komplexitäten an sich zusammen [20]. Selbstverständlich könnten die zufälligen Mutationen der Viren und Mikroben im stetigen Trial-and-Error der Evolution solche Eigenschaften hervorbringen, die in die Richtung einer Manipulation anderer Lebensformen über deren Generationsfolgen hinweg verlaufen. Bei erfolgreicher Ausprägung würden sie sich dann also darauf ausrichten, etwa die Folgegenerationen anderer Mikroben so zu beeinflussen, dass sie selbst durch deren erblich veränderte Merkmale vorrangigen Nutzen gewinnen. Das könnte etwa die punktuelle Schwächung der Immunsysteme betreffen oder eine anderweitige Erhöhung der aus der manipulierten Seite zu generierenden Nahrungsmenge.

Allerdings kann es nicht anders sein, als dass diese manipulierte Seite in den Generationsfolgen an Stabilität verliert, sobald sie in dem unbeherrschbar komplexen „Trommelfeuer“ der verschiedensten anderen Umwelteinflüsse nicht selektiv zu ihrem eigenen vorrangigen Nutzen selektiert und ausgerichtet wird. Im gesamten Ökosystem sind es immer die für das stabile Bestehen am besten geeignetsten Varianten innerhalb einer Fortpflanzungsgemeinschaft, die sich in diesem stetigen Trommelfeuer herauskristallisieren und folglich am ehesten fortpflanzen. Ein Manipulator, der dies verhindert, würde sein „Opfer“ unvermeidbar in eine zunehmende evolutionäre Instabilität und folglich immer tiefer in eine Sackgasse drücken. Und weil er sich spezialisieren muss, wird er an deren Ende auch selbst untergehen.

Dass Darwin und auch andere frühere Forscher dieses Schema so klar und deutlich erkannt hatten, obwohl sie damals noch kaum etwas von den Potenzialen der Viren und Mikroben oder den physischen Strukturen der Genome wissen konnten, liegt daran, dass die unbeherrschbar hohe Komplexität des ökologischen Gefüges durch praktische Erfahrung und genaue Beobachtung des großen Ganzen der realen Oberfläche der belebten Natur, mithin der Tiere und Pflanzen, mindestens genauso gut begreifbar wird. Wem dies gelungen ist, benötigt also kein Elektronenmikroskop, kein Wissen über die Zusammensetzung der DNA und auch keine mathematischen Formeln. Denn derjenige versteht automatisch, dass die relevanten Gesetzmäßigkeiten rund um die unbeherrschbar hohe Komplexität der Natur durchweg im gesamten Ökosystem, vom Allergrößten bis zum Allerkleinsten, gleich wirken.

Nun stammen also in der Gegenwart fast alle Nahrungsmittel der Zivilisation von entsprechend widernatürlich manipulierten Lebewesen – mit unzähligen Merkmalen, die ausschließlich zum Nutzen für uns Menschen herbeigeführt wurden. Hierzu soll noch einmal Charles Darwin zu Worte kommen, der auch diesen Teil des Zusammenhanges oft und unmissverständlich formuliert hatte – ebenfalls nur oberflächlich beachtet von den akademischen Lebenswissenschaften. Folgend wieder eine eigene Übersetzung, das englische Original kann ebenfalls im Archiv „Darwin Online“ nachgelesen werden [21]:

Eine der bemerkenswertesten Eigentümlichkeiten, die wir an unseren domestizierten Rassen wahrnehmen, ist ihre Anpassung nicht zu Gunsten des eigenen Vorteils der Pflanze oder des Tieres, sondern zu Gunsten des Nutzens und der Liebhaberei des Menschen. (Charles Darwin, 1859)

Die nicht nur unter Laien häufig geäußerte Annahme, dass die von uns herbeimanipulierten Änderungen zu unseren Gunsten doch nun schon ein paar tausend Jahre stabil funktioniert hätten, beruht auf einem weiteren Irrtum. Es handelte sich auch hier von Anfang an um die eben skizzierte evolutionäre Sackgasse – nun aber, anders als es bei entsprechenden punktuellen Veränderungen etwa eines Virus gegenüber einem bestimmten Bakterium als Wirt wäre, in einem sehr breiten Format. Zur Veranschaulichung könnte man sich zunächst die Effekte der punktuellen Veränderungen einer spezifischen Wirtspopulation durch das Virus mit dem Wegschmelzen eines wenige Zentimeter kleinen Schneekügelchens vergleichen, welches heißen Sonnenstrahlen ausgesetzt ist. Nach ein paar Minuten ist es geschmolzen, also das Ende der evolutionären Sackgasse erreicht. Die genetisch degenerierten und geschwächten Wirte sowie das auf sie spezialisierte Virus sterben im Trommelfeuer der Umwelteinflüsse aus. Nebenan stehen noch kniehohe Reste eines einst Dutzende Meter hohen Berges aus Schnee. Dieser Berg entsprach früher den ursprünglichen genetischen Informationen der vielen vom Menschen manipulierten Pflanzen und Tiere. Aufgrund der Masse vergeht beim Abschmelzen dieses Berges viel mehr Zeit als bei dem Dahinschmelzen der genetischen Informationen der einen Bakterienpopulation.

Durch die stetige künstliche Auslese zu unserem Nutzen wurden die ursprünglichen – einschließlich ihrer einzelligen Vorfahren über hunderte Millionen oder Milliarden Jahre aufgebauten – Genpools der zahlreichen unterworfenen Pflanzen und Tiere in relativ dazu verschwindend winzigen Zeiträumen verheizt. Die heutigen Ergebnisse sind die Reste dieses Prozesses, also quasi die nur noch kümmerlichen Reste des einst riesigen Schneeberges. Weite Teile der Merkmale und Eigenschaften, die die ursprünglichen Organismen zum eigenen Überleben in besagtem Trommelfeuer der Umweltdrücke befähigten, sind unwiederbringlich verschwunden, die Immunsysteme stark degeneriert. Und zusätzlich zu diesen Degenerationen sind durch die züchterische Lenkung nach unseren Interessen auch noch vielfältige für sie selbst nachteilige Deformierungen entstanden. Diese Organismen tragen jetzt zum ausschließlichen Nutzen des Menschen etwa übergroße Samenkörner oder ebensolche Brustmuskeln. Insgesamt sind sie mittlerweile so schwach, dass sie ohne vielfältige und zunehmende künstliche Unterstützung etwa durch Pestizide, Medikamente, Wasser, Dünger und bestellte Böden praktisch sofort zugrunde gehen würden.

Das massenweise und beschleunigende Dahinschwinden der ursprünglichen Merkmale und die Entstehung von dem Überleben abträglichen Eigenschaften ist also nichts anderes als ein Aussterbeprozess, der sich auf das Ende einer evolutionären Sackgasse zubewegt. Dieser verläuft nicht so, dass quasi eine gesamte Spezies von heute auf morgen ausstirbt, aber ihre Variationen tun dies. Sie schmelzen unwiederbringlich ab und sterben in diesem Sinne aus. Nach fachkundigen Schätzungen sind durch diese sogenannte „Generosion“ zum Beispiel alleine innerhalb der letzten 100 Jahre weltweit 75 % der genetischen Vielfalt der vom Menschen gezüchteten und angebauten Nahrungspflanzen verschwunden [22]. Die acht Milliarden Menschen existieren auch in diesem Sinne wie auf einer unter heißer Sonne immer schneller ausdünnenden Eisdecke.

Soweit also die physische Hälfte der Kernursache der schweren Krankheit. Die psychische Hälfte wiederum besteht in den die geistigen Potenziale verzehrenden Anstrengungen zur Unterdrückung der Wahrnehmung der gegenständlichen Widernatürlichkeit samt der daraus entstandenen evolutionären Sackgasse. Diese wurde und wird schon seit einigen Jahrtausenden erkannt, wozu bereits die Reflexion alter religiöser Konzepte vielfältige Indizien liefert [23]. Das aber muss mit als sehr unangenehm empfundenen Spannungen im Rahmen einer kognitiven Dissonanz einhergegangen sein. Um die Erkenntnis nicht näher an die Oberfläche des Bewusstseins kommen zu lassen, wo ihre dann offene Wahrnehmung sehr schmerzhaft wäre, wurde sie quasi nach unten gedrückt. Und ganz ähnlich wie das Unterwasserhalten eines luftgefüllten Balles im Schwimmbad den Großteil der vorhandenen Körperkräfte verschlingt, geschah es hier nun über Jahrtausende und bis in die Gegenwart mit den geistigen Potenzialen des zivilisatorischen Kollektivs.

Vor der Betrachtung der Mechanismen dieser Verdrängung ist die Klärung einer bestimmten Frage wichtig: Warum gab es überhaupt die unangenehmen Spannungen und die kognitive Dissonanz? Es kann ausgeschlossen werden, dass vorrangig quasi ein „schlechtes Gewissen“ gegenüber den gezüchteten und folglich unterworfenen Organismen im Spiel war. Ein solches würde keinen direkten evolutionären Sinn ergeben. Was hier tatsächlich wirkte, wurde bereits in Teil 1 tangiert, als es um die Wirkungen der Schülerinitiative auf die Erwachsenen ging: Nämlich das sehr starke Gewissen gegenüber den nachfolgenden Generationen des eigenen Sozialgefüges. Es handelt sich also um jene grundlegende Emotion, die sich bei vielen sozialen Tierarten in der natürlichen Selektion gebildet hat, um die Fortpflanzungsgemeinschaft stabil zu halten und die Weitergabe der Erbinformationen abzusichern.

Folgende Metapher lässt sich zur Veranschaulichung heranziehen: Einst begannen die Menschen damit, ein sehr großes Haus zu bauen, das den Folgegenerationen für alle Zeiten stabilen Schutz und Sicherheit geben sollte. Als schon Generationen darin aufgewachsen waren und die Menschen es längst verlernt hatten außerhalb des Hauses zu existieren, wurde zunehmend begriffen, dass man das Gebäude auf einem instabilen Fundament errichtet hatte und das Haus irgendwann in der Zukunft einstürzen muss. Da es keinen ersichtlichen Rückweg aus der Situation gab, wurden die nun sehr schmerzhaften Emotionen, jetzt also tatsächlich das “schlechte Gewissen” gegenüber den kommenden Menschengenerationen, mittels Ausblendungen und Umdeutungen der realen Situation verdrängt. In dieser Form passierte es auch in der Realität rund um die Widernatürlichkeit und folglich fehlende Stabilität des zivilisatorischen Fundamentes der Agrarmethodik. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese reale Verdrängung sich über sehr komplexe kollektive Prozesse erstreckte und noch immer erstreckt.

Soweit nun gedacht würde, dass doch die Menschen vor mehreren tausend Jahren gar nicht gemerkt haben können, dass das zivilisatorische Fundament in Form der Agrarmethodik eine Sackgasse ist, so wäre dies sicher wieder ein Irrtum. Wie bereits am Beispiel von Darwin gezeigt, ist es sehr gut möglich, mittels der Beobachtung des Gefüges der Pflanzen und Tiere den ökologischen Gesamtzusammenhang zu erkennen. Von da aus ist das Begreifen der im nachhaltigen Sinne bestehende Dysfunktionalität von künstlicher Zuchtwahl und folglicher Unterwerfung anderer Lebewesen nur noch ein kleiner Schritt. Es lässt sich nach vernünftigem Ermessen sicher ausschließen, dass da quasi nie jemand drauf gekommen sein sollte.

Tatsächlich gibt es zahlreiche Indizien dafür, dass die fatale Problematik der Agrarmethodik sogar rund um den Globus vielfach unabhängig voneinander erkannt wurde. So waren in den Weltbildern der verschiedenen Agrarkulturen meistens in diverse Geschichten gekleidete apokalyptische Untergangsszenarien enthalten. Diese gab es etwa bei den Abrahamschen Religionen einschließlich des Christentums, den Sagen im vorchristlichen Skandinavien, den antiken Schöpfungsmythen Assyriens und Babyloniens oder der Maya-Kultur Mittelamerikas. Aus den überlieferten Weltbildern früherer Kulturen reiner Jäger und Sammler – die keinerlei Zucht betrieben und sich ausschließlich von frei evolvierten und frei existierenden Organismen ernährten – sind keine solchen apokalyptischen Vorhersehungen bekannt.

Was nun die verschiedenen Mechanismen der kollektiven Verdrängung angeht, so gehörten dazu die Generierung und Beförderung passender Ersatzwirklichkeiten, mit denen die eigene Widernatürlichkeit und folglich die fatale Situation verdeckt und die unangenehmen Spannungen reduziert werden konnten. Die Menschen begrüßten und bejubelten entsprechende religiöse und philosophische Konstruktionen. Darin hieß es dann zum Beispiel, dass die Unterwerfung der anderen Lebewesen sogar von einem allmächtigen Gott befohlen worden sei – was zu glauben eine erlösende Spannungsreduzierung erzeugte. Schon auf den allerersten Seiten des Alten Testaments und folglich auch der christlichen Bibel ist dieser Mechanismus deutlich erkennbar. Und dort lässt sich sogleich ein sehr wichtiges Detail finden, welches gleich noch eine besondere Rolle spielen wird: dass nämlich Zucht und die daraus resultierende lebenslange Unterwerfung anderer Tiere bereits historisch und bis heute vielfach stärkere psychologische Auswirkungen hatten als alle anderen Teile der Problematik.

Auf diesen ersten Seiten der Bibel – wahrscheinlich die meistgelesenen Wörter der Menschheitsgeschichte – wird neben der Anweisung zur allgemeinen Unterwerfung der Erde mehrfach und auffällig ein spezieller göttlicher Befehl zum Herrschen über alle anderen Tiere hervorgehoben. Die logischen Gründe liegen unter anderem in den sehr weitreichenden Ähnlichkeiten zwischen diesen und unserer eigenen Tierart Mensch. Der Widerspruch zwischen der Zucht und folglichen Unterwerfung der „Nutztiere“ zu dem normalen Zustand der in der nichtmenschlichen Natur ersichtlichen frei lebenden Tiere wird schon dadurch vielfach deutlicher wahrgenommen, als es rund um die Beziehungen zu den gezüchteten und unterworfenen Pflanzen möglich wäre. Folglich drückt also die verdrängte Erkenntnis der eigenen Widernatürlichkeit rund um die Agrarmethodik besonders stark in Richtung der Oberfläche des Bewusstseins –.und verursacht die mit weitem Abstand schädlichsten Spannungen und Realitätsverschiebungen innerhalb der gesamten Kognitiven Dissonanz.

Auch populäre philosophische Konzepte waren oft prall gefüllt mit phantasievollen Kunstwirklichkeiten, die leicht erkennbar dem Zweck des Abbaus dieser Spannungen dienten. Leute wie Descartes, Kant und viele andere nutzten somit im Grunde das gleiche Erfolgsrezept wie es am Anfang der Bibel sichtbar ist. Mit großem Eifer versuchten sie logisch erscheinende Begründungen zu kreieren, nach denen nur der Mensch besondere Voraussetzungen zur Freiheit habe, andere Lebewesen – und auch hier wieder vor allem andere Tiere – hingegen nicht.

In der Gegenwart werden die enormen kollektiven Anstrengungen zur Verdrängung besonders gut in den populären Massenmedien des Internets sichtbar. Da sich ihre Inhalte über die Klickzahlen ausrichten und diese von großen Medien aufwendig analysiert werden, funktionieren sie wie ein Spiegel des kollektiven Bewusstseins. Diese Klickzahlen sind eine wesentliche wirtschaftliche Basis, weswegen unbeliebte Themen als solche erkannt und gemieden werden. Es gibt dabei aber keinen „Plan“, sondern die Gestalter der Inhalte entwickeln durch die Analysen und durch ihre Erfahrung ein generelles Gespür dafür, welche Themen beliebt sind und welche nicht. Überdies sind sie selbst als Individuen von dem Verdrängungskomplex betroffen.

Wer in den größten Nachrichtenseiten des Internets rauf und runter scrollt wird deswegen nur selten, im Bereich von wenigen Promille [24], etwas über den besagten 66-prozentigen Anteil der irdischen Biomasse der Landwirbeltiere unter der widernatürlichen Kontrolle des Menschen finden. Stattdessen sind dort wieder – so wie einst in den Religionen und Philosophien – vielfältige Realitätsverschiebungen zum Zwecke des Spannungsabbaus erkennbar. Da werden dann die Menschen zu edlen Beschützern kleiner Eisbärenbabies oder Rettern verirrter Rehkitze, während man der nichtmenschlichen Teilen der Natur mittels passender Fotografien kurzer Sterbevorgänge innerhalb der freien Tierwelt eine besondere Grausamkeit andichtet. Auf diese Weise wird also wieder eine passende Ersatzrealität kreiert: Die eigene Widernatürlichkeit ist darin ausgeblendet, die reale Natur wird erniedrigt und der Mensch stellt sich mittels konstruierter Moral und Selbstveredelung sehr weit nach oben über alle anderen Lebensformen [25].

Die Gesamtfolgen dieses Verdrängungskomplexes lagen stets in einer Art Teufelskreis: Einerseits konnten die geistigen Kapazitäten innerhalb der Zivilisation nie zur offenen Erkennung und Erforschung des – unterbewusst ja wahrgenommenen – schweren Fehlers in deren tiefsten Fundament und der Suche nach Möglichkeiten zur Entschärfung eingesetzt werden. Es sind historisch fast keine solchen Versuche erkennbar. Weil sie aber nunmal vorhanden waren, kanalisierten sich weite Teile der geistigen Kapazitäten dann auch noch seit Jahrtausenden und bis heute hin zur stetigen Verschärfung der Fehler. Viele potenziell kluge Köpfe wurden so zu Gestaltern und Unterstützern der benötigten religiösen, philosophischen oder medialen Scheinwirklichkeiten. Und weil die Widernatürlichkeiten im Zuge der kollektiven Verdrängung somit weiter unter die Oberfläche der bewussten Wahrnehmung gedrückt blieben, konnten sie noch nicht mal echten Einzug in die Naturwissenschaften finden. Dies wiederum hatte und hat besonders fatale Folgen: Die relevanten Wissenschaftssparten, deren gesellschaftliche Pflicht eigentlich die Aufdeckung der realen Situation gewesen wäre, kanalisierten ebenfalls große Teile ihrer Kapazitäten in Richtung der Verschärfung der Fehler.

Ein typisches Beispiel war das in den 1960er Jahren gestartete Projekt der „Grünen Revolution“ zur Umstellung der globalen Pflanzenzucht – weg von den damals vielen lokalen Sorten und hin zu eingängigen Hochertragssorten. Alleine durch diese vermeintliche wissenschaftliche Glanzleistung wurde die globale Transformation der pflanzlichen Biomasse massiv beschleunigt. Dem so ermöglichten starken Anstieg der gewonnenen Mengen an Nahrung und folglich auch der Zahl der Menschen stand eine rasant beschleunigte Verengung der Genpools mit folglich wesentlich höheren Bedarfen etwa an Pestiziden, Dünger und Wasser gegenüber. Es ist undenkbar, dass dies so abgelaufen wäre, wenn in den Naturwissenschaften ein verbreitetes Verständnis rund um die Mechanismen der besagten evolutionären Sackgasse vorhanden gewesen wäre.

Innerhalb der letzten Jahre und Jahrzehnte vollzieht sich etwas Ähnliches wie die einstige „Grüne Revolution“. Diesmal konzentriert sich ein nicht geringer Teil der akademischen Lebenswissenschaften darauf, mittels neuer gentechnischer Möglichkeiten wie dem erwähnten CRISPR/Cas-Verfahren die zunehmenden Probleme der dem Ende der evolutionären Sackgasse zustrebenden Zuchtorganismen überwinden zu können. Da wird zum Beispiel angenommen, dass es doch bestimmt möglich sein müsse, mit dieser Methode die Schwächen der Getreide gegenüber Trockenheit und parasitären Pilzen nachhaltig beheben zu können.

Da – als eine Folge der Verdrängung – die völlig unbeherrschbar hohe Komplexität des ökologischen Gefüges als solche nicht verstanden wird, kann also auch nicht erkannt werden, dass es vollkommen egal ist, wie in die Evolution anderer Organismen eingriffen wird. Sobald sich die Lebensform darin nicht vorrangig zu ihrem eigenen Nutzen ausrichtet, verläuft ihre Erblinie in Richtung Untergang. Die neuen Verfahren können deswegen allenfalls kurzfristige Erfolge erzielen, werden aber gerade durch ihre Effizienz die Schwächungen und die Verengung der Genpools nochmals stark beschleunigen.

Der Glaube an die Lösung durch vermeintliche gentechnische Optimierungen der Agrarmethodik hat in der jetzigen späten Phase spezielle Auswirkungen: Da nun am Horizont ähnlich einer Fata Morgana eine großartige Lösung erscheint, muss nicht mehr in andere Richtungen geschaut oder gar endlich eine grundlegende Reflexion der Agrarmethodik angegangen werden. So wie der Wanderer in der Wüste in sein Verderben läuft, weil er glaubt eine Oase mit Wasser zu sehen, so tut es mittlerweile der überwiegende Teil des mit Fragen rund um die Agrarmethodik beschäftigen Wissenschaftsbetriebes. In den populären Medien befeuern derweil naturentfremdete Journalisten in oft frappierender Naivität den Glauben des Laienpublikums an die Echtheit der Fata Morgana.

Vielfältige Schäden verursachte der Verdrängungskomplex auch direkt in den Köpfen der einzelnen Menschen. Die Erniedrigungen der nichtmenschlichen Natur und gleichzeitig bizarren Erhöhungen ihrer selbst müssen diesbezüglich schon seit Jahrtausenden gewirkt haben. Wer also von klein auf gelernt und folglich verinnerlicht hat, dass ein allmächtiger Gott ihn als dessen Ebenbild geschaffen und aufgetragen habe, die gesamte Natur zu unterwerfen, der kann die von ihr ausgehende Faszination allenfalls noch in geringen Graden wahrnehmen. Bei früheren Kulturen von Jägern und Sammlern hingegen war diese Wahrnehmung offensichtlich sehr stark ausgeprägt und ebenso geistig erfüllend. Überlieferungen derer Weltbilder und Felszeichnungen liefern dazu vielfältige Belege. Ihre Perspektive war nicht auf den Menschen zusammengezogen und sie schauten nicht eher desinteressiert von oben nach unten auf eine niedere nichtmenschliche Welt. Sondern ihre Wahrnehmung der Natur funktionierte quasi auf gleicher Augenhöhe und war dadurch sehr viel intensiver und reichhaltiger als es bei einem von den zivilisatorischen Verdrängungsmechanismen betroffenen Menschen möglich wäre.

Das durch den Verlust der Wahrnehmung der von der realen Natur ausgehenden Faszination entstandene geistige Vakuum ist zusätzlich schmerzhaft und drängt nach Auffüllung. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass sich die Kognition unserer Vorfahren – bei Einbeziehung aller Vorläuferarten – über hunderte Millionen Jahre ausgeprägt hat. Der ziemlich plötzliche Entfall wichtigster Stimulationen rund um die intensive, reichhaltige und folglich erfüllende Wahrnehmung der Natur muss drastische Auswirkungen haben. Deswegen werden zum Beispiel technologische Entwicklungen besonders stark nachgefragt, die im Grunde auf die Bereitstellung künstlicher Substitute ausgerichtet sind. Eine symbolhafte Erscheinung ist das Phänomen der bei schönstem Frühlingswetter auf kleine Bildschirme starrenden jungen Menschen. Da die Gesänge der Vögel, der Duft der Pflanzen und eine ansonsten potenziell erkennbare Schönheit der aufblühenden Natur von ihnen nur noch stark gedämmt wahrgenommen werden können, kanalisiert sich ihre Aufmerksamkeit hin zu dafür geschaffenen Ersatzrealitäten.

Dabei ist dieses Geschehen rund um die kleinen Bildschirme nur wie die Spitze eines Eisberges. Obwohl sogar in den Industriestaaten weite Teile der Bevölkerungen zunehmend wirtschaftlich abgehängt werden, hat sich andererseits ein ungebremster und sinnfreier Konsumrausch entwickelt. Aufgrund des schmerzhaften Vakuums würde dieser sich, auch wenn es die vielen anderen destruktiven Faktoren innerhalb der laufenden Katastrophe gar nicht gäbe, solange steigern, bis er alleine die planetaren Ressourcen abgesaugt hat. Das wäre nicht unähnlich des Verhaltens eines opioidabhängigen Menschen, der alles verkaufen würde, nur um die Schmerzen des Entzuges zu verringern.

Soweit nun also die physischen und psychischen Hintergründe und Strukturen der laufenden Katastrophe erkennbar sind, ergibt sich eine wichtige Frage: Könnte es irgendwie möglich sein, in der nun sehr späten Phase die fatalen Kreisläufe doch noch zu durchbrechen, eine echte Notbremsung einzuleiten und auf dem aktuellen Weg hin zum finalen Abgrund umzukehren? Um die Antworten geht es in den nächsten beiden Teilen.

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Quellen

[14] EU-Kommission. https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/IP_18_4202
[15] ARD / WDR Monitor. https://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/abholzung-in-brasilien-100.html
[16] Welthungerhilfe. https://www.welthungerhilfe.de/welternaehrung/rubriken/klima-ressourcen/warum-die-welt-unter-schweren-wasserproblemen-leidet
[17] Charles Darwin, On the Origin of Species, 1859 Seite 200 / 201. http://darwin-online.org.uk/Variorum/1859/1859-200-dns.html
[18] Schriftliche Antwort an Steffen Pichler am 05.08.2013 von dem Parasitologen Professor Dr. Richard Lucius, der über jahrzehntelange Erfahrung der Forschung in verschiedenen Bereichen seines Gebietes verfügt und zudem Fach- und Sachbücher auch zur generellen Übersicht über die Bandbreite der beschriebenen parasitären Strategien veröffentlichte. Die gestellte Frage war, ob ihm jegliche parasitäre Wirkungen bekannt sind, bei denen der Parasit gezielt Veränderungen von Merkmalen der Folgegenerationen des Wirtes erzeugt. Die Antwort von Professor Dr. Lucius:
„Das ist eine interessante Frage, die ich mir auch schon gestellt habe. Das könnte z. B. funktionieren über epigenetische Veränderungen, die der Parasit in der Keimbahn des Wirtes induziert. Beschrieben wird aber immer nur die Manipulation des jeweils aktuellen Wirtes mit verschiedensten Mechanismen, nicht aber seiner Nachkommen.“
[19] SWR Wissen: “Wieviele Atome gibt es im Universum”
https://www.swr.de/wissen/1000-antworten/wie-viele-atome-gibt-es-im-universum-100.html
[20] Steffen Pichler. Die verdrängten Gesetze der belebten Natur. ZEIS Verlag, 2017.
[21] Charles Darwin, On the Origin of Species, 1859. Seite 29 / 30.
http://darwin-online.org.uk/Variorum/1859/1859-29-dns.html
[22] Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung.
https://www.genres.de/fileadmin/SITE_MASTER/content/Publikationen/PGR_2._Nationaler_Bericht_zu_pflanzengenetischen_Ressourcen.pdf
[23] Steffen Pichler. Die verdrängten Gesetze der belebten Natur. ZEIS Verlag, 2017.
wozu bereits die Reflexion religiöser Konzepte vielfältige Indizien liefert
[24] Steffen Pichler. Die verdrängten Gesetze der belebten Natur. ZEIS Verlag, 2017.
vielfach stärkere psychologische Auswirkungen hatten als alle anderen Teile der Problematik
[25] ZEIS Magazin Verdrängung https://www.zeis-magazin.de/verdraengung